Ein Spezialist und idealer Berater

Altmeister Dieter Burkhardt führt sein Radgeschäft mit Leidenschaft

VON DIETER BRACKE

NÜRNBERG – Das Fahrrad, das Karl Freiherr von Drais im Jahre 1817 erfunden hat, bestimmte sein Leben seit frühester Jugend und lässt ihn nicht mehr los: Dieter Burkhardt, Jahrgang 1955, sitzt zwar nicht mehr als Rennfahrer im Sattel, aber er gilt in seinem Radgeschäft im Norden Nürnbergs für Interessenten als Spezialist und idealer Berater. Die stolzen Erfolge des gebürtigen Stuttgarters, der im unterfränkischen Dittelbrunn aufgewachsen und seit einigen Jahrzehnten in der Noris beheimatet ist, sind nicht nur den Radsportexperten im Gedächtnis haften geblieben.
Kein Wunder angesichts der stattlichen Bilanz: Bei mehr als 120 Rennen stand er als Sieger auf dem obersten Treppchen. Und dies in vielen Ländern Europas und sogar in Südamerika bei Tages- und auch Etappenrennen.
An welchen Triumph erinnert sich Burkhardt besonders? Die Antwort kommt nach kurzem Zögern: „Es war der erste deutsche Meistertitel mit dem Straßenvierer der RSG Nürnberg 1979. Und dies in der alten Heimat Dittelbrunn, dazu noch an meinem Geburtstag.“ Einem weiteren DM-Sieg mit dem Vierer folgte 1982 auch ein Titel als Einzelfahrer. In diesen Disziplinen stand er danach, dies erwähnt der 60-Jährige so nebenbei, jahrelang immer auf dem Siegerpodest. Der deutliche Beweis seiner Klasse und Beständigkeit.
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Sein größter Triumph: 1982 wurde Dieter Burkhardt in Rosenheim Deutscher Meister im 1er Straßenfahren

Doch warum hat ein derart erfolgreicher Rennfahrer nicht den Sprung ins Profilager vollzogen? Gewagt wäre die richtige Formulierung angesichts Burkhardts Aussage: „Wir konnten vom Frühjahr bis in den Herbst permanent Rennen fahren und haben gut verdient.“ Über manche Gehälter der Profis hätten sich er und seine Kollegen schiefgelacht. Der Blick auf das Geschehen der Gegenwart verbietet Optimismus. Weil ein starkes deutsches Team fehle, seien die meisten Profis nur Ergänzungen in ausländischen Teams. Eine triste Situation, für die Burkhardt eine Erklärung hat, ohne dabei tief schürfen zu müssen: „Es gibt in Deutschland kaum noch Rennen, so dass die Probleme um den fehlenden Nachwuchs immer größer werden.“ Das kürzlich verkündete Ende der Bayern-Rundfahrt untermauert dies. Mit Wehmut erinnert sich der Altmeister in diesem Zusammenhang an das damit verbundene Aus des Nürnberger Altstadtrennens, sein Steckenpferd. „Das waren tolle Veranstaltungen mit Superstars wie Jan Ullrich, Erik Zabel, Marco Pantani oder Fabio Baldato und großer Zuschauerkulisse“, blickt er zurück.
Der Radsport und Doping – ein heißes Thema, bei dem Burkhardt nicht ausweicht und auch nicht nach Ausflüchten sucht. Die eigenen Erfahrungen dabei entlocken ihm ein Schmunzeln. „Entweder ich oder ein anderer RSG-Starter musste bei jedem Rennen zur Dopingkontrolle“, erzählte er, „weil wir mit dem Bund Deutscher Radfahrer im Clinch lagen. Mit unseren Forderungen nach strukturellen Veränderungen blitzten wir leider zunächst ab und zogen uns den Zorn der Verantwortlichen zu.“
Keinerlei Verständnis hat Burkhardt für das Verhalten von Ullrich und dessen Aussage, er habe niemanden betrogen, „ denn alle haben gedopt“, übrig. „Ich kann auch nicht bei Rot über die Ampel fahren, weil dies der Autofahrer vor mir getan hat“, meint er kopfschüttelnd. Eine Frage, die bei diesem leidigen Thema immer wieder auftaucht: Könnte ein Profi bei der Tour de France in den Alpen oder Pyrenäen eine Königsetappe furios gewinnen, ohne gedopt zu sein? „Schon“, meint der Ex-Meister und fügt aufklärend hinzu: „Bei den folgenden Etappen aber würde er keine Rolle spielen können.“
Da der Apfel nicht weit vom Stamm fällt, eiferte Burkhardts Sohn Holger seinem Vater nach. Er galt als talentiert und fuhr auch für die eine oder andere deutsche Spitzenmannschaft. Doch dann erkannte er den Niedergang seiner Sportart und nahm rechtzeitig die Kurve: Er hat ein Masterstudium begonnen. Sehr zur Freude des Vaters, der nur schwer an eine Wende im Radsport glaubt.
Für das erwähnte Problem mit dem fehlenden Nachwuchs hat Dieter Burkhardt noch eine Erklärung parat: „Früher sind viele Leute mit den Jungs zu Rennen gefahren. Heute aber packen sie ihre Räder ein und starten dann irgendwo bei einem Jedermann-Rennen.“ Ein zweischneidiges Schwert für ihn: Zwar profitiert er mit seinem Geschäft von dieser Entwicklung, doch seine Sportart zieht daraus keinen Nutzen.
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In seinem Radgeschäft im Nürnberger Norden berät Dieter Burkhardt seit Jahren seine Kunden kompetent

Nürnberger Zeitung, 01.02.2016