Plötzlich war die RSG da - 1.Teil

Plötzlich war die RSG da
RSG Katzwang stellte selbst den RC Herpersdorf in den Schatten.
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Das war für die RSG Katzwang die Krönung: Der Vierer mit Dieter Flögel, Dieter Münch, Friedrich von Loeffelholz und Dieter Burkhardt (v. li.) holte sich im Jahr 1979 die Deutsche Mannschaftsmeisterschaft über 100 Kilometer. © Archiv: Manfred Marr

KATZWANG - In den frühen 1970er-Jahren tauchte neben dem seit Jahrzehnten erfolgreichen RC Herpersdorf plötzlich ein neuer Vereinsname in der fränkischen Radsportszene auf: Eine "RSG Franken" Katzwang stellte ab 1975 mit ihren Erfolgen den RC Herpersdorf glatt in den Schatten. Wesentlichen Anteil an der Entstehung und an der großartigen Entwicklung dieser neuen Rennsport-Gemeinschaft hatte damals der ARSV Katzwang, ohne den es die später so erfolgreiche RSG Hercules, die RSG Nürnberg und ab 1996 auch nicht das "Profi-Team Nürnberger" gegeben hätte. Doch wie entstand diese so erfolgreiche RSG überhaupt und wie kam sie nach Katzwang?
Weil die traditionsreichen Nürnberger Radsportvereine RV Union 1886, RC Schwalbe 1897, der Ring Nürnberger Rennfahrer und Tourenclub Nürnberg 1912 zum Beginn der 1970er-Jahre nur noch wenige Aktive hatten, schlug Joachim Kröniger, damals selbst als Amateur im Sattel – den Zusammenschluss dieser Fahrer zu einer "Rennsport-Gemeinschaft" vor. Alle vier Vereine lehnten das jedoch kategorisch ab. Joachim Kröniger, der als Lehrer an Nürnberger Hauptschulen arbeitete, war danach ziemlich enttäuscht.
Wegen seiner großen Begeisterung für den Radsport engagierte er sich in den folgenden Jahren deshalb vorrangig für die Jugendarbeit im Nürnberger Radsport. Im Rahmen des Schulsports war eine Neigungsgruppe Bahnfahren für interessierte Schüler entstanden, die der Altmeister Fritz Scheller aufgebaut hatte. Aus bescheidenen Anfängen der Radsport-Stunden auf der ASN-Bahn in Ziegelstein entwickelte sich bis 1971 ein echter Bedarf.
 
Unterricht "am Keller"
Der beliebte "Rennbahn-Unterricht", der nun wöchentlich am Reichelsdorfer Keller stattfand, kam bei immer mehr Schülern gut an. Fritz Scheller brauchte Hilfe, die er damals bei Joachim Kröniger fand. Dessen Einsatz wurde bereits nach einigen Wochen belohnt, denn sehr bald bewiesen einige seiner ehrgeizigen Schützlinge echtes Talent für den Rennsport. Den Nürnberger Radsportvereinen wollte man sie jedoch nicht anvertrauen.
Fritz Scheller, damals Jugendleiter des Bayerischen Radsportverbandes, ermöglichte deshalb eine Lizensierung dieser Schüler über den "Verein Sportplatz", dem Verwaltungsverein der Nürnberger Radrennbahn. Unter den Radsport-Neulingen, die ab 1971 mit dieser Lizenz ihre Laufbahn begannen, waren mit Gernot und Michael Körber, Friedrich von Loeffelholz und Gerhard Scheller bereits einige hoffnungsvolle Talente, die in den folgenden Jahren noch für viele Schlagzeilen sorgen sollten. Ihre gute Entwicklung begleitete Joachim Kröniger in den folgenden Jahren unermüdlich als erfahrener Trainer und Betreuer.
 
RSG-Gründung und erste Erfolge
1972 fand Jochen Kröniger in Max Güttler und Kurt Albert (RC 50 Erlangen) aufgeschlossene Partner um seine Idee von einer Rennsportgemeinschaft doch noch zu verwirklichen. Am 19. Dezember gründeten der RC 50 Erlangen und der Verein Sportplatz in den Räumen der Rennbahn die "Renngemeinschaft Franken". Ab 1973 konnten rund 20 Jugendliche für die neue RSG starten. Noch war es eine kleine sehr bunte Gruppe, die ohne einheitliche Trikots fuhr, doch nicht nur beim benachbarten RC Herpersdorf war man alarmiert, als der 16-jährige Gymnasiast Friedrich von Loeffelholz zwei Saisonsiege, zehn gute Platzierungen einfuhr und noch im gleichen Jahr für den Jugend-Nationalkader nominiert wurde. In beiden Jugendklassen war die neue RSG Franken in Bayern mit tonangebend. Die RSG-Vierer wurden bei Bayerischen Meisterschaften Dritte der A-Jugend und Zweite der B-Ju-gend. Der 14-jährige Gerhard Scheller erkämpfte über 20 Siege.
Junge erfolgreiche Rennfahrer hatte man inzwischen bei der RSG , doch nun zeichnete sich ein ganz anderes Problem ab: Die Finanzierung des Rennbetriebes wurde mit steigender Anzahl an jungen Fahrer immer schwieriger. "Allein mit dem Idealismus unserer Funktionäre und Betreuer können wir 1974 nicht mehr weiterkommen", stellte Joachim Kröniger nüchtern fest. Als "Retter in der Not" erwies sich damals Ernst Feigl (RSC Fürth), der Inhaber des renommierten Radsporthauses Schertl. Er konnte mit dem RSC Fürth und den ARSV Katzwang zwei Clubs als zusätzliche Trägervereine für die RSG gewinnen.
 
Sechs Vereine als Basis
Nachdem sich im November 1973 auch noch der RC Bavaria Neumarkt, und der Tourenklub Schwabach angeschlossen hatten, hatte die RSG nun insgesamt sechs Vereine als Basis, deren Aktive zwar weiter ihren Vereinen angehörten, aber bei den Rennen für die RSG starteten. Völlig überraschend kam dann noch ein echter Glücksfall hinzu: Der ARSV Katzwang hatte mit der Firma "Paintco-Industrieanstriche" einen großzügigen Sponsor für die RSG gefunden, die man deshalb ab 1974 "RSG-Paintco-Franken" nannte.
Die Sensation in der deutschen Radsportszene war damit perfekt, denn einen offiziellen Sponsor konnte damals noch kein deutscher Radsportverein aufweisen! Zurecht sehr zuversichtlich äußerte sich deshalb der erste RSG-Vorsitzende Helmut Möckel (ARSV Katzwang), der als agiler Manager seiner Zeit weit voraus war: "Unser Ziel ist es, den Radsportlern unserer sechs Trägervereine optimale Voraussetzungen für höchste Ziele zu schaffen!"
Und die Aktiven bedankten sich auf ihre Weise: Allein in der Saison 1974 war die sportliche Ausbeute enorm: Gerhard Scheller wurde Dritter der Jugend-Straßen-DM, Günther Nitsche Dritter der Cross-DM bei den Junioren und Klaus Burges Dritter der Steher-DM! Friedrich von Loeffelholz, der sich intensiv für sein Abitur vorbereitete, fuhr in seinem ersten Amateurjahr "nur" zwei Siege und viele gute Platzierungen ein!
RSG-Boß Helmut Möckel wurde von Insidern als "Großmaul" bezeichnet, als er im Herbst 1974 erklärte: "Wir werden ein Team von Straßenamateuren aufbauen, das zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen einmalig ist. Später könnte daraus eine Nürnberger Profi-Mannschaft entstehen!" Seine Prognose war damals zwar sehr gewagt, doch er sollte Recht behalten.
Zunächst gab es für die aufstrebende RSG-Paintco Franken 1975 allerdings erst großen Ärger, denn auf Anordnung des Dachverbandes Bund Deutscher Radfahrer (BDR) musste der Name des Sponsors aus dem Vereinsnamen entfernt werden. Soweit war man beim BDR damals noch nicht! Walter Schlöffel, der Inhaber der Firma Paintco, hatte ein Einsehen und sponserte die RSG trotzdem weiter. Der Verein wurde nun in "RSG Franken Katzwang" umbenannt, nachdem inzwischen die Hauptlast der Organisation, der Arbeit und der Finanzierung vom ARSV Katzwang getragen worden war.
 
Der Bekanntheitsgrad wuchs
Damit wurde der Name Katzwang plötzlich im ganzen Bundesgebiet bekannt. Die jungen Fahrer, in ihren grauen Trikots mit dem auffälligen Katzen-Emblem sorgten mit ihren Erfolgen bundesweit für Schlagzeilen und für eine sensationelle Siegesserie: Gerhard Scheller wurde als Junior auf der Bahn im Sprint und über 500 Meter zweifacher Deutscher Meister sowie in Lausanne Vizeweltmeister! Klaus Burges gewann mit Schrittmacher Manfred Höflich die deutsche Meisterschaft der Amateursteher. Friedrich Loeffelholz schaffte schon als 20-Jähriger den Aufstieg in die Amateur-Nationalmannschaft. Zusammen mit Klaus Burges , Dieter Flögel und Eugen Heim wurde der Katzwanger-Straßenvierer als Dritter der Deutschen Mannschaftsmeisterschaft über 100 Kilometer zum Favoritenschreck. Dieter Flögel war als junger Amateur von Schweinfurt zur RSG gestoßen und Eugen Heim hatte aus Esslingen den Weg nach Katzwang gefunden. Erstmals kamen auf Grund ihrer Freundschaft zu von Loeffelholz "externe" Spitzenfahrer zur RSG, um sich sportlich noch besser weiterzuentwickeln!
 
"Rad-Baron" bei Olympia
Auch zwischen 1976 und 1979 ging es bei der RSG Franken Katzwang steil bergauf: Mit Friedrich von Loeffelholz, inzwischen einer der besten deutschen Straßenamateure, hatte die RSG Franken 1976 sogar einen Olympia-Teilnehmer. Der "Rad-Baron", wie der blonde Maschinenbau-Student längst von den Medien genannt wurde, war jüngster Fahrer des bundesdeutschen Olympia-Vierers, in dem der spätere Bundestrainer Peter Weibel (Mannheim) als Kapitän fuhr. "Der ,Loeffel‘ kann sich quälen, dass ist ja unglaublich", staunte Weibel damals über seinen jungen Teamkameraden. Doch alle Quälerei reichte am 24. August 1976 in Montreal bei über 36 Grad Hitze und einer Luftfeuchtigkeit von rund 90 Prozent dem deutschen Top-Quartett nicht zum Erfolg: "Lumpige 14 Sekunden fehlten uns nach 100 Kilometern", ärgerte sich von Loeffelholz noch lange über die verpasste Olympische Medaille.
Ansonsten aber gab es ab 1976 fast nur Grund zur Freude. Die Asse der RSG Katzwang räumten auf Bahn und Straße ab. Inzwischen zählte auch Dieter Flögel zum BDR-Nationalkader. Ebenfalls aus Unterfranken kam ein weiterer Spitzenamateur nach Katzwang: Dieter Burkhardt aus Dittelbrunn bei Schweinfurt hatte als Topsprinter Flögel und von Loeffelholz schon so manchen fast sicheren Sieg vor der Nase weggeschnappt. Er komplettierte das legendäre Katzwanger Erfolgstrio und sollte im Laufe der folgenden zehn Jahre eine der Hauptstützen der erfolgreichen fränkischen Radsport-Gruppe werden!
Nachdem Klaus Burges bei den Stehern und Gerhard Scheller im Sprint der Amateure 1977 zwei weitere deutsche Meistertitel für die "Katzen" erkämpft hatten, war 1978 der erste Straßentitel längst überfällig, denn Flögel, von Loeffelholz und Burkhardt setzten ihre Siegesserie unaufhaltsam fort. Allein von Loeffelholz stieg 1978 zwanzig (!) Mal bei großen Straßenrennen als Sieger aufs Treppchen! Und "Loeffel" war topfit und heiß auf die Straßen-DM in Berlin. Im Finale sprengte er auf den letzten Kilometern eine dreiköpfige Spitzengruppe und fuhr am Wannsee als strahlender Sieger allein ins Ziel!
 
1979 klappte es endlich
Ein weiteres ganz großes – leider lange unerfülltes – Ziel der Katzwanger Elite-Radler blieb bis 1979 die Vierer-Straßen-DM bei der es vor allem um das Prestige "der besten deutschen Rad-Mannschaft" ging. "Das Problem mit dem Vierer ist für unsere Jungs, dass sie Jahr für Jahr einfach zu viele große Renntermine haben und sich deshalb nie gezielt auf diese DM vorbereiten können", bedauerte Fritz Wolkersdorfer, der nach Helmut Möckel den Vorsitz der RSG übernommen hatte.
Doch bei der Vierer-DM 1979 im unterfränkischen Dittelbrunn sollte es endlich klappen: Bei strömendem Regen fuhren Friedrich von Loeffelholz, Dieter Burkhardt, Dieter Flögel und der junge Dieter Münch, der sich im gleichen Jahr der RSG angeschlossen hatte, die Konkurrenz buchstäblich in Grund und Boden. Die Zeitnehmer blickten immer wieder ungläubig auf ihre nassen Stoppuhren, die Bestzeiten der vier Katzwanger nach 25, 50- und 75 Kilometern waren sensationell. Nach genau 100,6 Kilometern raste der "Franken-Express", der diesmal in roten einteiligen Trikots fuhr, mit über drei Minuten Vorsprung als neuer Meister ins Ziel!
"Das mit den roten Trikots war ein kleiner Trick von uns. Es waren eigentlich Nationaltrikots russischer Bahnfahrer, die wir uns besorgt hatten, die waren viel windschlüpfiger als herkömmliche Straßentrikots", gestanden die vier Meister im Ziel. Mit dem Vierer-DM-Titel, der damals als die "Krone des Amateur-Straßenrennsports" galt, hatte die RSG Katzwang 1979 endgültig den Olymp des deutschen Straßenrennsports erreicht. Damit konnte man nun den Nürnberger Fahrrad-Hersteller "Hercules" als Hauptsponsor gewinnen.
Nach 12 Deutschen Meistertiteln begann 1980 der zweite Teil der einmaligen Erfolgsgeschichte für die fränkischen Rad-Asse die nun als "RSG Hercules" in ihren neuen blauen Trikots ihre Siegesserie fortsetzten. Darüber in Kürze mehr . . .